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Writer's pictureChristoph Hosang

Respekt und die Macht des Wortes “Danke”

Mathias Döpfner - CEO des Springer Verlages - hat sich 2021 in einer Videobotschaft an die Mitarbeiter gewendet deutlich gemacht, dass nur ein Unternehmen mit einer Kultur, die von Respekt geprägt ist, erfolgreich sein kann. Der Bild-Chefredakteur Johannes Boie folgte Döpfner und sagte der Süddeutschen Zeitung, dass er eine Kultur des Respekts stärken wolle. Zudem sagt er der ZEIT, dass der Medienwandel nur als Team mit Wertschätzung zu bewältigen sei.


Es gab noch einen Menschen zu der Zeit, welcher das Wort “Respekt” sehr oft in den Mund genommen hat: Olaf Scholz. Überall hingen seine “Respekt-Für-Dich”-Plakate - und das sehr erfolgreich. Sein Respekt-Wahlkampf hat ihn schließlich in das Kanzleramt getragen.



Nun stellt sich die Frage: Was ist eigentlich Respekt und warum ist es Mathias Döpfner, Johannes Boie und Olaf Scholz Respekt so wichtig? Respekt beschreibt eine Form hoher Achtung und Wertschätzung. Respekt drückt sich aus in Zugewandtheit, Interesse, Aufmerksamkeit und Freundlichkeit. Respekt zeigen ist Wertschätzung zeigen. Respekt kann als die Währung von Wertschätzung betrachtet werden.


Wertschätzung ist ein zentrales Bedürfnis von Menschen. Der US-amerikanische Psychologe Abraham Maslow hat die Bedürfnisse des Menschen in Form einer Pyramide in fünf Kategorien unterteilt. Die vierthöchste Ebene ist Bedürfnis nach Wertschätzung und Anerkennung durch andere sowie sich selbst. An der Spitze steht der Wunsch nach Selbstverwirklichung. Das Bedürfnis nach Wertschätzung ist also groß: Der Mensch sucht nach Anerkennung durch andere und möchte sich als kompetent erleben. Ist dieses Bedürfnis gestillt, so ist der Mensch motiviert. Somit hat Johannes Boie recht: Die Motivation für Wandel kommt von Wertschätzung.


Die Auswirkungen fehlender Anerkennung und Wertschätzung - und damit fehlendem Respekt - zeigt Forschung von Dan Ariely, einem Professor für Psychologie und Verhaltensökonomik Duke Universität in den den USA. Er hat folgendes Experiment durchgeführt: Er hat Forschungsprobanden ein DIN-A4-Blatt vorgelegt, welches mit unzusammenhängenden Buchstaben gefüllt war. Irgendwo zwischen Dutzenden von Zeichen hat er zehn Buchstabenpaare versteckt. Beispielsweise zwei L (LL), zwei P (PP) oder ein Paar aus den übrigen Buchstaben des Alphabets. Er bat die Probanden nun, diese zehn Paare zu finden und zu unterstreichen. Nachdem die Aufgabe erledigt war und das Blatt dem Professor ausgehändigt wurde, erhielten die Probanden ein weiteres Blatt, das ebenfalls mit Buchstaben gefüllt war. Für das erste bearbeitete Blatt erhielten die Probanden 55 Cent, für das zweite 50 Cent, für das dritte 45 Cent. Das ging linear so weiter bis zum elften Blatt, für dessen Fertigstellung die Probanden nur noch 5 Cent erhielten. Ab dem zwölften Blatt gab es kein Geld mehr.


Die Probanden - über 100 - wurden in drei gleich große Gruppen eingeteilt. Alle erhielten die gleiche Aufgabe. Der Unterschied zwischen Ihnen war folgender: Teilnehmer der Gruppe 1 durften auf Ihr Blatt Ihren Namen schreiben und dem Forschungsleiter direkt überreichen. Er schaute sich das Ergebnis der Arbeit kurz an, und lege es dann sauber ab, bevor er den Probanden der Gruppe ein weiteres Blatt überreichte.


Die Probanden der Gruppe 2 wurden ganz bewusst nicht darum gebeten, ihren Namen auf das fertige Blatt zu schreiben. Wenn ein Proband der Gruppe dem Forschungsleiter das Ergebnis seiner Arbeit überreichen wollte, zeigte dieser mit dem Kopf auf einen großen Haufen Papiere und sagte: Legen Sie es dort ab. Im Anschluss erhielt der Proband der Gruppe 2 ein neues Blatt zur Bearbeitung. Die Probanden der dritten Gruppe haben eine ganz besondere Erfahrung gemacht: Auch sie wurden ganz bewusst nicht darum gebeten, ihren Namen auf das fertige Blatt zu schreiben. Sobald sie dem Forschungsleiter das Ergebnis ihrer Arbeit überreichten, steckte dieser das Blatt ungelesen und unmittelbar vor den Augen des Teilnehmers in einen Schredder.


Die Probanden der dritten Gruppe könnten sehr schnell den höchstmöglichen Betrag bei diesem Experiment verdienen, da das Ergebnis ihrer Arbeit nicht geprüft wird - sogar zerstört wird. Sie bräuchten einfach nur 10 Striche auf dem Blatt Papier machen, es dem Forschungsleiter überreichen und sie würden den jeweiligen Geldbetrag erhalten. Es wären schnelle elf Runden! Hingegen wird das Ergebnis der Arbeit der Gruppe 1 sorgfältig inspiziert. Die Gruppe 1 ist die einzige Gruppe, die sauber arbeiten muss.


Das Ergebnis des Experiments fiel anders aus, als mancher vermuten würde. In der ersten Gruppe waren 49 Prozent der Teilnehmer bereit, alle elf Runden durchzuarbeiten, so lange, bis kein Geld mehr ausgezahlt wurde. Die Teilnehmer der dritten Gruppe, die das Schreddern erlebten, hatten deutlich weniger Interesse daran, die Aufgaben durchzuführen. Nur magere 17 Prozent von ihnen – also ungefähr ein Drittel im Vergleich zu Gruppe 1 – hielten elf Runden durch.


Die Wissenschafter mutmaßten, dass das Schreddern des Arbeitsergebnisses ist eine so eklatante unnatürliche Gewalt gegen das Arbeitsergebnis ist, dass man hier die stärkste Reaktion aller Versuchsteilnehmer erwarten könnte. Doch sie irrten sich: Die zweite Gruppe, deren Arbeitsergebnisse ignoriert worden waren - die Gruppe, die ihren Namen nicht auf das Papier schreiben durften und deren Arbeit nicht beachtet wurde -, reagierte genauso stark wie die Gruppe mit der Schredder-Erfahrung. Auch hier arbeiteten nur 17 Prozent alle elf Runden durch. Zur Überraschung der Wissenschaftler hatte nicht ein einziger Teilnehmer der ignorierten Gruppe versucht, zu schummeln – Die Forscher hatten nach Abschluss der Untersuchung alle verbleibenden Zettel daraufhin untersucht.


Die Studie arbeitet wunderbar heraus, wie wichtig die Beachtung und Wertschätzung von Arbeitsergebnissen ist. Die Erkenntnis ist: Einem Mitarbeiter Anerkennung zu schenken, verdreifacht die Leistungsbereitschaft. Ignorieren Sie ihn und sein Arbeitsergebnis jedoch, demotiviert das genauso stark, als wenn Sie das Arbeitsergebnis des Mitarbeiters zerstören würden.


Ariely fasste das Ergebniss seiner Studie wie folgt zusammen:


“Hier gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass das Ignorieren der Leistung von Menschen fast so schlimm ist, als wenn man ihr Arbeitsergebnis vor ihren Augen zerstört. ... Die gute Nachricht ist, dass es offenbar völlig ausreicht, sich etwas anzusehen, was jemand getan hat, es zu scannen und zu sagen "Aha", um die Motivation der Menschen drastisch zu verbessern. Die gute Nachricht ist also, dass das Hinzufügen von Motivation nicht so schwierig zu sein scheint. Die schlechte Nachricht ist, dass die Zerstörung von Motivation unglaublich einfach zu sein scheint ... .”


Und jetzt komm Olaf Scholz in Spiel. Wir erinnern uns: Der Respekt-Kanzler. Olaf Scholz war noch keine 100 Tage im Amt und dann ist etwas passiert, was die deutsche Berichterstattung als Zeitenwende beschrieben hat. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat Olaf Scholz an einem Sonntag in einer Bundestagssitzung eine Regierungserklärung gehalten und bisherige Grundsätze deutscher Außenpolitik über Bord geworfen. Deutschland liefert als Antwort auf den Überfall Waffen an die Ukraine und rüstet die deutsche Bundeswehr massiv auf.


Die meisten Journalisten haben die Rede aus Sicht der Außenpolitik betrachtet. Mir ist - als ich die Rede gehört habe - etwas anderes aufgefallen. Ich habe die Rede aus der Sicht von Mitarbeiterführung betrachtet. Mit ist aufgefallen, das Olaf Scholz öffentlich und namentlich den beteiligten Ministerinnen und Ministern Baerbock, Lambrecht, Lindner und Habeck für ihre Arbeit gedankt hat.





Nun könnte man sagen: Die Erkenntnis, dass Danksagungen von Führungskräften gut für das Team sind, ist eine Binse. Logisch. Aber wie viele Führungskräfte machen es tatsächlich? Ich glaube, dass wir alle den einen oder anderen ehemaligen und aktiven Politiker kennen, der in solch einer Rede - wie sie Olaf Scholz gehalten hat - sehr viel häufiger das Wort “Ich” in den Mund genommen hätte (Grüße nach Bayern). Öffentlich “Danke” zu sagen und die Arbeit anderer Menschen herauszustellen ist leider keine Selbstverständlichkeit.


Eine Studie belegt die positiven Effekte von Wertschätzung in Unternehmen. Die Harvard Professorin Teresa Amabile hat herausgefunden, wie wichtig für die allgemeine emotionale Zufriedenheit Erfolge sind bzw. wie wichtig es ist, einem Ziel näher zu kommen. Sie fand noch mehr heraus: Wenn Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit unterstützt werden und Respekt erhalten, bewerten sie den Tag deutlich positiver und sind somit auch deutlich motivierter. Die Danksagungen von Olaf Scholz waren somit nicht nur auf menschlicher Ebene nett, sondern sie haben direkte Auswirkungen auf die Motivation und Leistung seines Teams bzw. seines Kabinetts.


Es ist gut erforscht, was ein simples Dankeschön im Team auslösen kann. Adam Grant, Professor an der Wharton Business School der Universität von Pennsylvania, hat in einem Experiment Studenten rekrutiert, um einem anderem Studenten bei seinem Bewerbungsanschreiben zu helfen. Die Teilnehmer bearbeiteten das Anschreiben und erhielten im Anschluss entweder eine neutrale oder eine dankbare Nachricht von dem Studenten, der daraufhin um Hilfe bei einem weiteren Anschreiben bat. Ein simples “Danke” des Studenten hat die Wahrscheinlichkeit mehr als verdoppelt, dass die Teilnehmer erneut Hilfe leisten würden und bei einem weiteren Anschreiben helfen: von 25 % auf 55 %.


Was sagt uns das alles: Wertschätzung und Respekt sind nicht nur aus menschlicher Sicht richtig, sie machen auch aus der nüchternen Business-Perspektive Sinn. Mitarbeiter werden mehr Wertschöpfung schöpfen, wenn sie in einer aus Wertschätzung und Respekt geprägten Umgebung arbeiten.

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